Konzeptuelle Entwicklung und Raumausdruck

Sprecher: Christina Papadimitraki

 

Titel: Konzeptuelle Entwicklung und Raumausdruck: Eine Studie zum Erwerb raumrefentieller Ausdrücke bei Vorschulkindern

 

Abstract:

Topologische Raumrelationen gelten weitgehend als primäre Ausdrucksform einer elementaren Strukturierung des Raums, die auf Elemente einzelner Raum-Gegenstands-Konfigurationen beschränkt ist. So werden (topologische) Lokalisierungsausdrücke wie lokale Präpositionen („in, „auf“ oder „neben“) von Kindern früher erworben als solche, die die Lage von Objekten entlang den drei Achsen relativ zu einem Referenzpunkt kennzeichnen („über“, „vor“, „rechts“). Diese geordnete zeitliche Abfolge beim Erwerb räumlicher Relationen steht in Einklang mit den Piagetschen Ausführungen über die schrittweise Entwicklung der Raumvorstellung (Piaget/Inhelder 1956), was zu der weit verbreiteten Annahme führte, dass linguistische Kategorien eine direkte Projektion angeborener universeller Raumkonzepte sind (Sinha et al. 1999). Nun zeigen sprachvergleichende Untersuchungen grundlegende Unterschiede in der Bedeutungsorganisation raumreferentieller Ausdrücke, die auf eine einzelsprachlich spezifische Strukturierung des Raums zurückzuführen sind (Bowerman 1996). Die Frage, die sich nun stellt, ist, inwieweit sprachspezifische strukturelle Eigenschaften beim Erwerb topologischer Ausdrücke ins Spiel kommen: Ist die Repräsentation des Wissens über räumliche Relationen bei Kleinkindern von vornherein einzelsprachlich geprägt oder beruhen Raumreferenzen auf sprachunabhängigen perzeptuellen und konzeptuellen Primitiva?

Um diesen Fragen nachzugehen, wurden im Rahmen einer Querschnittstudie Sprecher (Erwachsene und Kinder im Alter von 3;0 bis 4;0 und 4;1 bis 5;0) typologisch divergierender Sprachen (Deutsch & Griechisch) aufgenommen. Die Probanden wurden aufgefordert, die auf Fotos abgebildeten Objekte sprachlich zu lokalisieren. Bei den Kindern wurde außerdem neben dem aktiven auch der passive Gebrauch lokaler Ausdrücke anhand von zwei- und dreidimensionalen Stimuli erfasst. Bei der Auswertung der Daten lag der Schwerpunkt neben formalen Merkmalen der Ausdruckssysteme auf der Erfassung der den einzelnen Lokalisierungsausdrücken zugrunde liegenden raumgliedernden Konzepte sowie auf der Bestimmung des für die Raumkonzeptualisierung relevanten Objektwissens.

Die Ergebnisse zeigen, dass die betreffenden Sprachen durch unterschiedliche Mittel verschiedene Optionen der konzeptuellen Strukturierung des Referenzraumes bereitstellen. Diese manifestieren sich zum Teil auch in den von Kindern verwendeten semantischen Kategorien, deren Strukturbildung durch die Kategorisierungsprinzipien der jeweiligen Einzelsprache wesentlich mitgesteuert wird.

 

  • Bowerman, M. (1996): Learning How to Structure Space for Language: A Crosslinguistic     Perspective. In: P. Bloom, M.A. Peterson, L. Nadel & M.F. Garrett (Hrsg.): Language and Space. Cambridge, 385-436.
  • Piaget, J. & Inhelder, B. (1956). The Child´s Conception of Space. London: Routledge/Paul.
  • Sinha, C. & Thorseng, L. & Hayashi, M. & Plunkett, K. (1999): Spatial language acquisition in Danish, English and Japanese. In: P. Broeder & J. Murre (Hrsg.): Language and Thought in Development. Cross-Linguistic Studies. Tübingen, 95-125.