Einblick in die Fragestellungen und Methoden

Studien zur Sprachproduktion erforschen diejenigen Prozesse, die bei Lösungen von sprachlichen Alltagsaufgaben, wie erzählen, argumentieren oder beschreiben, im Kopf eines Sprechers ablaufen. Um diese Aufgaben erfolgreich bewältigen zu können, muss der Sprecher mehrere Schritte unternehmen: Er muss Informationen unterschiedlicher Art aus dem Gedächtnis abrufen, sie zu einer kohärenten konzeptuellen Repräsentation ordnen, geeignete Wörter und grammatische Konstruktionen auswählen, diese auf den Adressaten und sein mutmaßliches Wissen abstimmen und schließlich eine geordnete Folge von strukturierten Sätzen – einen gesprochenen oder geschriebenen Text – produzieren. 

Die Erforschung dieses komplexen Geflechts kognitiver und linguistischer Prozesse steht im Mittelpunkt unserer Projekte. Wir gehen der Frage nach, inwieweit und in welcher Form Planungsprozesse in der Sprachproduktion einzelsprachlich gebunden sind, das heißt, wie sich beispielsweise Sprecher des Deutschen, des Arabischen, des Chinesischen oder des Polnischen in der inhaltlichen Gestaltung ihrer Rede unterscheiden. 

Dass es Unterschiede gibt in der Art und Weise, wie Inhalte vermittelt werden, ist für jeden, der mehrere Sprachen aktiv oder passiv beherrscht, selbstverständlich: Sprecher verschiedener Sprachen verwenden unterschiedliche Perspektiven, wenn sie über ein und dieselbe Situation reden – „die anderen sehen es eben anders“. Bei der Suche nach den Gründen macht man es sich jedoch oft einfach, indem man vorwiegend auf kulturelle Unterschiede, stilistische Differenzen oder unterschiedliche Traditionen verweist. 

In unseren Projekten wird ein anderer Erklärungsansatz verfolgt. Die Ausgangbasis stellt eine Reihe von empirischen Studien dar. Grundlage bildet ein Corpus von Sprachdaten zu 13 Sprachen aus 4 Sprachfamilien. Die Ergebnisse der sprachvergleichenden Analysen zeigen, dass Texte in denjenigen Sprachen ähnlich gestaltet sind, die die gleichen grammatikalischen Eigenschaften aufweisen. Dies führte zu der Hypothese, dass grammatische Kategorien in gewissen grundlegenden Aspekten die Konzeptualisierung von Redeinhalten mitsteuern. 

Diese Hypothese systematisch zu überprüfen, ist das Forschungsziel der psycholinguistischen Projekte. Das Vorgehen ist empirisch, unter Einsatz unterschiedlich kontrollierter Erhebungstechniken und psycholinguistischer Methoden. Hier ist im Besonderen die Messung der Blickbewegungen zu erwähnen, das sogenannte Eye-Tracking. Zu diesem Zweck wird mit einer Kamera die Reflektion von IR-Strahlen auf der Hornhaut erfasst und damit die Blickposition der Testperson auf einem Bildschirm ermittelt. So finden wir heraus, in welcher Reihenfolge das gezeigte Bild betrachtet wird (siehe Abbildung). 

Die Datenerhebung folgt einem einheitlichen Verfahren: Sprecher*innen verschiedener Sprachen, darunter auch fortgeschrittene Lerner*innen von Fremdsprachen, werden unter vergleichbaren Bedingungen vor die gleiche sprachliche Aufgabe gestellt. Die Bedingungen werden variiert, etwa durch Änderung der Aufgabenstellung, des Sachverhaltes oder der Kommunikationssituation. Und es wird untersucht, wie die einzelnen Sprecher*innen bei der Lösung der sprachlichen Aufgaben vorgehen und inwiefern sich sprachgruppenspezifische Unterschiede zeigen.

Ereignisverbalisierungen in verschiedenen Sprachen


Englisch a car is driving along a country road

Deutsch ein Auto fährt auf einer Landstraße zu einem Dorf

Tschechisch auto vjíždí do vesnice

Russisch Maschina edet po derevenskoj doroge

Spanisch un coche va por la carretera

Niederländisch een auto rijdt naar een dorp

Arabisch sayyratun tasiru fi t-tariqi


Zur Forschungsfrage des Zusammenhangs zwischen grammatischen Kategorien und der Verbalisierung von Informationseinheiten sind die psycholinguistischen Projekte einzigartig. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der angewandten Untersuchungstechniken als auch im Hinblick auf das betrachtete Sprachenspektrum.